Aufruf an die Ukrainer

Bak_Aufruf
Bild des Orginal Aufrufs, wikisource

Ich sitze ja schon eine Weile daran, Bakunins „Aufruf an die Slawen“ zeitgenössisch zu remixen. Die Parallelen der Situation der Ukrainer als Spielball zwischen dem Westen und dem putinschen Russland zu jener, die Bakunin 1848 für die „Austroslaven“ beschreibt, stechen ins Auge. Es mag etwas sehr weit hergeholt sein,, Bipolarität des Westens – USA und EU – mit der inneren Führung der Hegemonialmacht Österreich unter Windisch-Graetz vergleichen zu wollen, doch letzten Endes reproduzieren diese analytischen Schwächen die geschichtsträchtige Kritik an Bakunins Pamphlet. Denn der erste Anstoß für diesen Remix war es, eine Brücke zu schlagen von einer prä-ideologischen Zeit zu einer post-ideologischen.

Anders als manche allerjüngsten Online-Kommentatoren, die eine erfolgreiche Gegenöffentlichkeit zelebrieren, die sich von den Mainstreammedien emazipiert haben soll, erfahre und erlebe ich nach wie vor den Ukraine-Komplex von den solchen konventionellen Leitmedien dominiert. Während der Eskalationsstufen von der Osterweiterungsdiskussion, über die Assoziierungsverhandlungen, den Maidan-Demonstrationen, der Krim-Krise bis hin zum jetzigen Konflikt folgt die öffentliche Meinung dem immer gleichen Schema von Russland Bashing über Blaming bis Zu- und Eingeständnis. Nahezu völlig unkommentiert bleibt in dieser Abfolge die intrinsische Schwäche der Ukrainischen Politik.

Nun werde ich gefragt, wie deeskalierend auf die Situation eingewirkt werden kann, nur um der Frage die entsprechenden Tiraden gegen Putin anzuhängen. Die Plattitüde, mit der Putin mit einem monolithischen Russland gleichgesetzt wird, in Personalunion mit Idi Amin und / oder Milosevic / Karadzic, erlaubt mir, die Deeskalationsstrategie per se zu verwerfen. Das Missverständnis des diplomatisch und strategisch gewieften Menschen Putin und die Unmöglichkeit das Riesenreich taktisch zu mikromanagen, disqualifizieren kleinteilige Reaktion. Putins Macht rührt daher, den russischen Nationalstolz bedienen zu können. Die maroden Industrieanlagen der Ostukraine hingegen sind ihm, der er immer noch Russland-eigene solche en mas zu sanieren hat, ein Greul. Dasselbe gilt für die oft beschworenen Kohlelagerstätten.

Den russischen Nationalstolz bedient Putin, indem er Klarheit und Ordnung in dem chaotischen Riesenreich schafft, nicht indem er sich auf die Unübersichtlichkeit eines Bürgerskriegs einlässt und die Handlungen unkontrollierbaren Partisanen erklären muss. Denn die Gefahr einer weiteren Eskalation in der Ukraine besteht darin, dass die lokalisierte Gewalt in einen Bürgerkrieg nach dem Muster Bosniens, Srebrenica und Mostar festfährt, der niederschwellige internationale Beteiligung bedingt. Bosnia

Gegeben aber dass die Strukturen und die Situation eine Entladung der Gewalt fordern, und dass jedes Appeacement und halbherzige Interventionen die Fehler der Vergangenheit reproduzieren, die Probleme verschleppen und die unbefriedigende, verfahrene Situation perpetuieren, bietet sich die Alternative an, das Stadium des bestialischen Bürgerkriegs zu überspringen und in die eingeübten Kanäle eines kontrollierbaren, wohldefinierten und verklausulierten Krieg zu lenken.

Den Krieg provozieren um den Bürgerkrieg zu vermeiden.

Ist doch wahr: Schon 1991 meinte Baudrillard, dass der 2. („Desert Storm“) Golfstrom überhaupt nicht statt fand, weil er von einer überwältigenden Mehrheit der Anteilnehmer als Videospiel erlebt wurde. Heute ärgern wir als uniformierte Burger uns über Drohnen, debattieren die Vaterschaftsurlaubsvertretung an der Front und befördern einen Oberst trotz seines Vertippers, der 70 Benzinräubern das Leben kostet. Und die Soldaten, die durch die offiziellen Kanäle geschickt werden, sind klever genug, die Waffen niederzulegen, als auf ihresgleichen zu schießen.

Anstelle ein Regime und System zu stützen, das seine eigenen Menschen auf einander hetzt, sollte die EU also die Herausforderung ihres vermeintlichen Feind annehmen und Russland unter Wahrung der Neutralität der Ukraine den Krieg erklären. Mal sehen, wie schnell daraufhin die Militärstrategen an den Verhandlungstischen zur Einsicht kommen, und die unter dem Teppich liegenden strukturellen und geopolitischen Probleme angehen werden und den Weg frei machen, weg von einer kapitalinteressengetriebenen Außenpolitik, hin zu einer „allgemeinen Föderation der europäischen Republiken“ (Bakunin), die Kants „ewigen Frieden“ tatsächlich externalisieren kann.


Kommentare

3 Antworten zu „Aufruf an die Ukrainer“

  1. Avatar von Michael Ickes
    Michael Ickes

    Es gibt jetzt auch ein Doc, um dieses Projekt zur Umsetzung zu bringen: http://mimaimix.de/icke/docs/bakunin-an-die-slaven/

  2. Vielen Dank für all eure wertvollen Kommentare auf dem Weg zu einem weiteren PostScript / Update. Die „Bipolarität“ des Westens soll entsprechend dargestellt werden durch eine Personifizierung mit Kerry und Ashton. Ich sehe eine Dualität wie jene von Voldemore und Riddle, oder aber auch eine Trinität wie jene der Profile von Marx, Engels und Lenin. @fflebs möge das entsprechend umsetzten. Es folgt, dass nicht die EU Russland den Krieg zu erklären hat, sondern die USA. Vielleicht weil sie Snowden schützen? Des besseren Verständnisses wegen sollte ich außerdem auf einen Tweet von mir aufmerksam machen, der da menetekelte, dass sich Bakunin dem Zaren angebiedert hat und von ihm eingelocht wurde.