DGNB-Collignon-Semer-Kroll+Lütke-Daltrup

Anfang Dezember 2015 ließ sich vordergründig das Architekturbüro Collignon den Entwurf (!) eines Immobilienvorhabens von 294 Wohneinheiten an der Bautzener Straße zertifizieren. Vordergründig deshalb, weil dahinter ein Vorhabenträger steht, die Dr. Wolfgang Schroeder Immobilien GmbH & Co. KG. Deren Adresse in Dortmund ist identisch mit der der HELLWEG-Baumärkte. Vor einem Jahr wurde schräg gegenüber der beplanten Fläche, auf dem sog. Yorkdreieck, ein HELLWEG-Baumarkt eröffnet. Deren Geschäftsführer, ein Herr Reinhold Semer, zieht an allen Fäden um das Projekt mit 294 Wohnungen in sieben Blöcken, auf dem bisher nach § 35 restriktiv als Außenbereich ausgewiesenen Areal, Bautzener- / Yorckstraße zu realisieren. „Erst durch einen politischen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung würde das Baurecht geschaffen und damit eine nachhaltige Wertsteigerung des Grundstücks bewirkt“.[1] Eine Wertsteigerung, die allerdings nicht der Allgemeinheit des Bezirks zugute kommt.

Einer der Fäden, an dem sehr erfolgreich gezogen wird, reicht in die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), mit Sitz in Stuttgart. Deren Mitglieder stammen, naturgemäß, aus dem engeren wie weiteren Umfeld der Bau- und Immobilienwirtschaft. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zumindest eine Personalie. Der Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke-Daltrup, von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sitzt in deren Präsidium. Bezeichnend deshalb, weil Lütke-Daltrup als Vertreter des Senats, das geplante neue Stadtquartier „Bautzener Straße“ begrüßte – so der Bericht in der Berliner Woche vom 16.12.2015.

Siegmund Kroll, Amtsleiter für Stadtentwicklung des Bezirks Tempelhof-Schöneberg, der in Vertretung der grünen Stadträtin Klotz pathetisch: „Ich habe das Projekt mit Herzblut begleitet“ [2]. Verbreitet wurde Krolls Herzblut durch eine Pressemitteilung des Bezirksamts.

Die Basisidee der Einrichtung eines Gremiums das das nachhaltige Bauen fördert und anregt ist durchaus zu begrüßen, wobei sich die Frage stellt, was das „Nachhaltige“ beim Bauen ist bzw. sein kann oder eben auch nicht. Ob die DGNB sich mit der Kommerzialisierung ihrer Zertifikatsverleihung einen Gefallen tut ist zweifelhaft. Zu schnell kommt sie damit in den Geruch eines Gefälligkeitsdienstleisters der für eine entsprechende Vergütung Vorhabenträger wie Genehmigungsbehörden Argumente für PR-Zwecke zu liefern bereit ist. Das genau dies im Falle der Bautzener Straße /-Brache geschehen ist, beweist sowohl die Öffentlichkeitsarbeit des Vorhabenträgers (euphemistisch als Investor tituliert), als auch die des Bezirksamts, dass sich damit einmal mehr zum Handlanger von Privatinteressen machen lässt. Der Gipfel der Unverfrorenheit ist allerdings, dass sich ein Staatssekretär in einer Doppelrolle funktionalisiert und offensichtlich davon ausgehen kann, dass niemand bemerkt, dass er damit in einem profunden Interessenkonflikt steht. Zumindest politisch sollte dies ein Nachspiel haben.

Die DGNB ist nicht der einzige Zertifizierer auf dem Markt. Etwas ganz ähnliches ist mit einem der Neubauten auf dem Gasometergelände passiert. Während das Bauschild auf DIN A 4 – Größe geschrumpft wurde, kündete auf zehn Quadratmeter ein Poster am Eingang des Geländes, das einer der Bauten mit dem LEED-Gold des USGBC, dem U.S. GREEN BUILDING COUNCIL prämiert werden sollte. Ähnlich wie die DGNB stellte sich dieser als Zusammenschluss der US-Immobilienwirtschaft heraus. Das ausführende Baugeschäft Bilfinger AG (früher BilfingerBerger), damals noch mit dem brutalstmöglichen Vorstandsvorsitzenden Roland Koch an der Spitze, war/ist Mitglied im USGBC. Neben einem Artikel aus dem August 2012 ist daraus eine Kleine Anfrage in der BVV T.-S. entstanden:

[gview file=“http://mimaimix.de/icke/wp-content/uploads/2016/01/191.pdf“]

Fazit: Wir sind die Guten. Weil die Akzeptanz in der Bevölkerung trotz massiver Indoktrination für die Realisierung solcher Großbauprojekte sinkt und der Widerstand wächst, wird zunehmend auf PR-Maßnahmen zurückgegriffen. Deren Ziel ist es, von den Tatsachen abzulenken und einem Erzeugnis über seinen eigentlichen Funktionswert hinaus weitere Eigenschaften anzudichten.

Hier lassen sich Vereinigungen wie die DGBC und der U.S. GREEN BUILDING COUNCIL zu Handlangern der PR-Agenturen machen oder wurden womöglich durch diese initiiert. Dienstleister die objektiv und nach außen integer erscheinen. In Wirklichkeit ermöglichen sie erst das Geschäft und dessen Durchsetzung der sog. Investoren. Dass die Behörden dieses Spiel, womöglich unter dem Deckmantel des Gemeinwohls mitspielen, zeigt einen zunehmenden Grad der Zersetzung öffentlicher Interessen. Was beim Immobilienprojekt am Gasometer vorexerziert wird, findet zunehmend Nachahmer, nicht nur in Schöneberg aber hier ganz besonders.