ein Schöneberger SimCity

Da bin ich doch heute über den ZDF Beitrag „10 Jahre World of Warcraft“ gestolpert. Just zu der Zeit, als dass mich „Computerspiel-Klientel“ an die Verantwortung der Piraten selbigen gegenüber erinnert hat.

Der Einfluss der „Online-Gamer“ auf die Piraten in der Gründungs- oder Findungsphase bis 2011 ist unbestreitbar. Ein mich zum Beitritt bewegender Event in Berlin-Mitte war das „Killerschach,“ das im Sommer 2009 inszeniert wurde. Wir feierten die Kultur der Parallelwelten und forderten eine größere Akzeptanz dieser individuellen Wirklichkeiten. Es entwickelte sich daraus das Programm der politischen Teilhabe für „Rantgruppen“ sowie eines systemischen Updates. Beides sind zeit-(alter)unabhängig relevante und legitime Prozesse für die Politik und Demokratie. Ihr Erfolg bekräftigt sowohl das Ansinnen als auch das System.

Glaubhafte Aussagen wie: „Ich bin in der Politik angekommen,“ (Martin Delius im Tagespiegel diese Tage) belegen den Erfolg des formalen Generationswechsel in der Berliner Politik. Schön, ich freue mich, dass er angekommen ist, und wünsche ihm entsprechend viel Erfolg im Aufsichtsrat des BER oder als Stadtrat in der nächsten Wahlperiode. Erfolg zu vermessen oder zu verzeichnen bezüglich eines systemischen Updates, fällt mir deutlich schwerer.

  • Es fällt auf, dass die Repressalien des Job-Centers und der HartzIV-Maschinerie ungeachtet weiter gehen, wenn sie nicht gar unvorteilhafter für eine gesellschaftliche Teilhabe, insbesondere der „Rantgruppen“, geworden sind.
  • Überwachungskameras breiten sich auf S-Bahnhöfen aus, Dokumentenscanner werden in den Bürgerämtern eingesetzt;
  • das Bußgeld für’s Schwarzfahren wurde gerade von €40 auf €60 hinaufgesetzt.
  • Die gesellschaftlichen Potentiale des Freifunks vis-a-vis kommerzieller Anbieter werden konsequent eingeengt.
  • Im Größeren mussten wir die reaktionären Konsequenzen auf die Methode des Whistleblowings und die Enthüllungen von Snowden in der Politik und der apathischen Öffentlichkeit erleben.

Als netzaphine Speerpitze eines gesellschaftlichen Wandels haben wir schon innerparteilich auf ganzer Linie versagt. Doch das ist zu weit hergeholt bzw. zu viel erwartet. Pavel Meyer gab 2011 noch die Losung aus, dass die Piratenpartei ein Aufbauprojekt über die nächsten zehn Jahre wäre. Und auch ich sah in kontemplativen Momenten die Piraten viel mehr als ein Kind ihrer Zeit, eine Reflektion des politischen Systems, als einen Agent des Wandels.

Vielleicht lässt sich ja ein angekommener Martin Delius nicht von dem System vereinnahmen und einlullen; vielleicht ist die Eskalation der Thematik notwendig, um eine kritische Masse an Opposition in der Gesellschaft zu generieren; oder vielleicht waren die Vorstellungen der Nerds ja auch schlichtweg falsch. In Kreisen der „Neupiraten“ von 2011 wurde die Mailinglistenkommunikationskultur schon bald als Urübel der Piraten identifiziert.

Dabei blieb es dann aber auch. Anstelle offensiv das kreative Potential zu stärken, wurden überkommene nostalgische Debatten wie die Geschlechterdebatte wieder aufgewärmt und in der Seichtheit, die sowohl der empirisch-enzyklopädischen Kommunikationskultur als auch der tatsächlichen zeitgenösisch-gesellschaftlichen Relevanz entspricht, geführt.

„Rahmen und Stock“

gab ich als Parole aus und entwarf verschiedene Narrativen, die einen normativen Entwicklungspfad der Piraten vorzeichneten, so dass eine Beurteilung möglich wird. Das fundamentale Problem der Nerds ist, dass die Realität eine schlechte Simulation von virtuellen Welten ist. Denn jene sind zweckmäßig dafür programmiert, dass das Individuum Erfolg verzeichnet. Politik – jenes Feld, von dem die Gesellschaft verdrossen und verdorben ist – muss entsprechend ausgeklammert werden. So wird der konsumptive Neoliberalismus im Zeichen des Libertarismus fortgechrieben.

Liquid Democracy ist in der Ausprägung von Liquid Feedback ein schlechter Versuch, diesen Finalzusammenhang umzudrehen. Für eine „rekommunalisierte Bauleitplanung“ nach dem politischen Prinzip Kapital = Sum(Arbeit,Land) fordere ich hingegen die „liquiddemokratische Bereichsentwicklungsplanung“, inklusive eines Schöneberger SimCity. Auf dass den Rantgruppen der systemische Widerstand erhalten bleibt.


Kommentare

Eine Antwort zu „ein Schöneberger SimCity“

  1. da braucht’s n paar Linx