geflüchteten Unterbringung auf dem ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf und der Bautzener Brache

Auf die Große Anfrage der CDU Drs 1899/XIX „Zustimmung zu Containerstandorten und Standorten für temporäres Wohnen durch das Bezirksamt?“ erwidere ich heute in der BVV wie folgt:

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren,

nach wie vor glaube ich, dass die aktuellen Mehrbedarfe an Wohnraum und Unterkunft für geflüchtete Menschen primär und insbesondere durch die konsequente Aktivierung und Instandsetzung exitierenden Wohnraums, inklusive einer Entschleunigung des Zuwachses an durchschnittlichem persönlichen, individuellen Wohnraum, gedeckt werden sollten. Ich erinnere daran, dass die individuelle Wohnfläche in den letzten 30 Jahren um mindesten ein Drittel angewachsen ist. Bei allem Respekt für den Individualismus und die Privatsphäre zeichnet das

  • eine gesellschaftliche Entwicklung der individuellen Isolation, Vereinsamung und trägt zur Alterarmut sowie der Disintegration der Gesellschaft bei.
  • Es ist eine Entwicklung, die getragen von diesem – neben dem Innenstadtverdichtungsquatsch – anderen irrsinnigen Mantra von wegen, „wir brauchen mehr kleinere Wohnungen“, an unseren normativen Ansprüchen vorbei gehen. Sie führt genau dazu, dass jene, die haben – in diesem Fall Wohnraum – mehr bekommen, wohingegen jene, die keine Wohnung haben, in der immer misslichren Lage sich befinden, keine angemessene zu finden.
  • Es ist eine Entwicklung, die wir im Sinne einer solidarischen und integrativen Gesellschaft nicht begrüßen und die wir uns im Hinblick auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen der Migrations- und Immigrationsfrage nicht leisten können.
  • wenn die Sozialdemokratie gerade wieder ihre Kernkompetenz zu finden versucht, dann ist sie gut beraten, diese Diskrepanz von gesamtheitlichem Anspruch und kleinteiliger Töpfchenkleckerei zu beherzigen.

Wenn wir denn nun aber den Kurs eingeschlagen haben, auch auf Kontainer und die modulare Bauweise zurück zu greifen, um unserer globalen Verantwortung in der Aufnahme von geflüchteten Menschen gerecht zu werden, dann sollten wir das auch richtig machen.

  • Es sind die Menschen dieses Bezirks, die sich dieser Verantwortung stellen, die gezeichnet ist von aberwitzigen Flüchtlingslagern von Uganda über Palästina bis in den Iran, wo Menschen teilweise seit Generation dahin vegetieren.
  • Es sind die Menschen diees Bezirks, die mit großem ehrenamtlichen Engagement eine Willkommenskultur geschaffen haben.
  • Es sind die Menschen dieses Bezirks, die teilhaben müssen an der Gestaltung einer dezentralen Geflüchtetenunterbringung für eine lokale, gesellschaftliche wie globale Integration.
  • Es sind die Menschen dieses Bezirks, die unausgegorene Ideen von übergeordnetem Unwissen, wie das Aufstellen von Flüchtlingskontainer in dem Landschaftschutzgebiet der Mariendorfer Feldmark oder gerade neben die überfüllten Hangars des Tempelhofer Flughafengebäudes – um das dort entstehende Flüchtlingsghetto zu perpetuieren – ablehnen
  • und sich berechtigter Weise fragen, warum nicht der ehemalige Güterbahnhof Wilmersdorf, wo das Warmluftzelt zwei winterlang eine erfolgreiche Notunterkunft vorgemacht hat, oder auch die Bautzener Brache, als Standort für mobile Geflüchtetenunterkunft in Betracht gezogen wurde.

Der Bundesgesetzgeber hat schon im November 2014 mit dem „Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ den Satz 13 in den §1 Absatz 6 des BauGB eingeführt: „die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung.“ Im Oktober letzten Jahres greift der Bundesgeetzgeber erneut in das BauGB ein, dieses mal u.a. in die konkreten und für die aktuellen Belange des Bezirks so relevante Paragraphen 35 – Aussenbereich. Auf keine dieser richtigen und wichtigen Neuerungen reagierte bilang der Landesgesetzgeber oder aber auch die bezirkliche Praxis der Bauleitplanung. Dieses Versäumnis ist fahrlässig und wird – wie in dieser Wahlperiode mit Umweltschutzrichtlinien schon vorgezeichnet – wieder vor dem Bundesverwaltungsgericht und in der Neuauslegung sämlicher B-Pläne enden.

Dann, liebe Leute, können wir endlich seriös in die Bereichsentwicklungsplanung einsteigen, die Flächennutzungsplanung berichtigen und die illegitimen Planungsinstrumente wie den STEP Wohnen oder die Berlin Strategie 2030 sowie die B-Pläne zum Güterbahnhof Wilmerdorf und der Bautzener Brache in die Tonne treten.

Zu meinem Antrag hab ich dann folgendes zu sagen:
[gview file=“http://mimaimix.de/icke/wp-content/uploads/2016/05/1_Version_vom_03_05_20161.pdf“]

Sehr geehrte Frau Vorsteherin, sehr geehrte Damen und Herren,

wenn ich in Erwiderung der Großen Anfrage der CDU vorhin das Schreckensgespenst der Klage vor dem Bundesgerichtshof aufgeworfen habe, mit einhergehendem Verlust von Hoheitsrechten und dem Primat der Politik, sowie fälligen Regressanprüchen, weil Sie, verehrte Verordnete, Ihrer Pflicht der Kontrolle und dem Anregen von Verwaltungshandeln nicht nach kommen, so versuche ich mit diesem Antrag, größeren Schaden vom Bezirk abzuhalten. Wie das Ignorieren des §1(6.13)BauGB, so ist auch das Verfahren in der Aufstellung des B-Plans 7-68 im Zusammenspiel der Paragraphen §3(2.3)BauGB und §6(2.3)AGBauGB wohl rechtswidrig.

Eine Heilung sehe ich, wieder einmal im §42 des Bezirkverwaltungsgesetzes, so dass nach Bezirkamtbeschluss und Veröffentlichung aller Materialen zur Festsetzung des B-Plans, die zweimonatige Frist, die die Senatsverwaltung eingeräumt bekommt zur Stellungnahme bevor die BVV letztlich festsetzt, genutzt wird, um die verschiedentlichen Abwägungen gemeinsam zu erörtern.

Es ist zu hoffen, dass im Zuge dessen das Abgeordnetenhaus auch endlich auf den Plan gerufen kommt und das AGBauGB auf den aktuellen Stand bringen wird.

Ich möchte jedoch der Expertise des Stadtplanungsamtes nicht vorweg greifen. Deshalb handelt es sich um einen Prüfauftrag, der idealer Weise in das Einstellungsverfahren der neuen Justiziarin im Stadtentwicklungsamt passt. Ich freue mich auf den Bericht mit vielen tollen Vorschlägen zu einer Vorgehensweise.

Ich darf zur Erinnerung hinzufügen, dass es sich bei dem B-Plan 7-68 um einen Angebots B-Plan handelt, was soviel bedeutet, wie dass der Bezirk einen Plan festlegt, wie er die Fläche entwickeln möchte und sich daraufhin einen Entwickler sucht. Bei der Aufstellung des Plans hat das Bezirksamt nicht im Interesse des Bezirks gehandelt, der nichts von dieser lärmbelasteten Wohnbebauung hat, außer zusätzlichem Verkehr und Baudreck. Wie gesagt, Flüchtlingsbelange auf diesem Grundstück wurden rechtswidrig ebenso ignoriert, obwohl sich die Fläche als temporäre Obdachlosenunterbringung bewährt hat.

Wie auf der Bautzener Brache bietet es sich hier im innerstädtischen Aussenbereich an, eine entsprechend zweckdienliche Entwicklung als niederschwellig landwirtschaftliche Nutzfläche und temporärer Flüchtlingsunterbringung zu verfolgen, anstelle dem Spekulanten durch Einräumen von Baurecht einen mietspiral-befeuernden Spekulationsgewinn zu gewähren und den Bezirk und seine Zukunft einer grünen Ausgleichs- und Vorhaltefläche zu berauben.


Kommentare

2 Antworten zu „geflüchteten Unterbringung auf dem ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf und der Bautzener Brache“

  1. […] Gegeben, dass es einen Markt für Flüchtlingsunterbringung gibt, muss dieser zielorientiert, offen und transparent gestaltet werden. Der Bundesgesetzgeber hat die Flüchtlingsunterbringung mit seiner Aktualisierung des Baugesetzbuchs klar als städtebauliche Aufgabe verortet. Dieser Verortung ist weder die Lande- noch die Bezirksebene nach gekommen – trotz wiederholter Hinweise, zuletzt mit Ausführungen in der BVV Tempelhof-Schöneberg […]

  2. Avatar von Michael Ickes
    Michael Ickes

    [gview file=“http://mimaimix.de/icke/wp-content/uploads/2016/05/Große-Anfrage-1899_XIX-Zustimmung-zu-Containerstandorten-und-Standorten-für-temporäres-Wohnen-durch-das-BA.doc“]
    wenn’s nicht zeigt, hier:

    Da frag ich mich dann schon auch noch:
    * Ja, welches sind denn die (weiteren) Standorte in der Diskussion?
    * Nein, die Antwort auf Presseleaks kann nicht sein, die Entscheidungsfindung weiter abzuschotten. Im Gegenteil, nicht der Rat der Bürgermeister trifft eine Entscheidung, sondern die Menschen dieses Bezirks – über die etablierten Kanäle des Bau-Gesetzbuchs und der Berliner Bereichsentwicklungsplanung.