Narzissten, nach Prof. Dr. Claas-Hinrich Lammers, Chefarzt für Psychiatrie an der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll

(Veröffentlicht am 06.01.2015, abgerufen 15.05.2016), …
teilen sich in solche, die

  • erfolgreich sind,
  • als Politiker, Manager, Führungspersönlichkeiten etc.
  • weil sie hart an ihrer Anerkennung arbeiten, sich hineinknieen,
  • damit ihrer Rolle und Funktion in der Gesellschaft gerecht werden, und
  • als solche eher unproblematisch (ich möchte sagen, weil integriert) sind,
  • höchstens vielleicht als egoistische Arschlöcher erkannt werden.

und jene,

  • die es nicht schaffen, ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden,
  • scheitern und
  • in Depressionen verfallen
  • nur diese dürfen als Narzissten diagnostiziert werden.

Narzissten machen etwa 1% der Geellchaft aus und weisen die größte genetische Korrelation von allen Persönlichkeitsstörungen auf.

Es sei nicht so, dass die Proportion neuerlich oder aktuell steigen würde. Ist es also falsch zu konstatieren, dass diese post-Gesellschaft eine besonders narzisstische ist. Woher kommt dann diese Annahme?

Zunächt einmal haben wir die Beobachtung des Mitteilungs- und Darstellungsbedürfnis, wie es Kulturkritiker in dem Phänomen Facebook erkennen, wo Menschen ungehemmt ihre ganzen Belanglosigkeiten zur Schau tragen und sich dafür feiern lassen. Die Fragen, die sich dazu jedoch stellen sind:

  • Inwieweit sind die Sozialen Netzwerke hier nicht nur eine Erweiterung der Seichtheit der gemeinen Kommunikation? Oder auch: Inwieweit ist nicht eine Abflachung der Kommunikationskultur zu Gunsten einer Diversifizierung und einer interkulturellen oder anonymen Breite der Kommunikationsträger zu erwarten? Fällt die Kritik nicht vielmehr auf den voyeristischen Betrachter und elitistischen Kritiker zurück?
  • Inwieweit ist dieses vermeintlich peinliche Mitteilungs- und Darstellungsbedürfnis überhaupt ein Symptom für eine narzisstische Gesellschaft? Kann eine Gesellschaft oder überhaupt eine Gruppe oder Kathegorie von Menschen – eine Menge (mathematisch set) – der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung unterzogen werden; ist eine solche Menge also als Person zu betrachten? – Die Jurisprudenz kennt diesbezüglich die Unterscheidung von natürlicher und juristicher Person.
  • Und: Ist die Heimserei nach Klicks und Likes nicht vielmehr ebeno eine Erweiterung des stereotypischen pubertären “Er mag mich aber mehr als dich” Gehabe, ein Peter-Pan-Phänomen, das vielmehr auf eine (transformative) Dissonanz im Dualismus von virtueller und realer Welt zurückzuführen ist, als auf einen Narzissmus? Was ist der Zusammenhang von kognitiver Dissonanz und Narzissmus?

Daten- / Informationshunger der Gesellschaft

Dorfgeschwätz gab’s auch schon immer und die urbane Anonymität mag da durchaus erholsam scheinen. Sie wird jedoch überrollt von einer massiven Datensammelwut – einfach weil’s möglich ist. Von der Vorratsdatenspeicherung wissen wir, dass sie für eine Zielfahndung völlig unbrauchbar ist. Trotzdem lassen die Enthüllungen von Snowden die große Mehrheit der Menschen kalt. Im Gegenteil, jedes neu identifizierte Politikfeld bedarf erst einmal einer Erfassung der Daten. Die Auswertung bzw. das Verständnis für die Daten hinkt weit hinterher.

Es sind also nicht die Narzissten, die mehr werden, sondern die Forderung aus der Gesellschaft nach Narzissten, die lauter und bestimmter wird. Der Narzisst absorbiert nicht, sondern resoniert. Er lernt entsprechend nicht, sondern bietet ein Beispiel – gut oder schlecht (-es Vorbild). Er erfüllt damit den Informationshunger der Gesellschaft.

 


Kommentare

2 Antworten zu „narzisstische Gesellschaft“

  1. Avatar von Michael Ickes
    Michael Ickes

    nicht zu vergessen sei der Bezug (Anlass) auf ein historisches Seminar der empirischen Migrationsforschung, von dem ich auf Twitter resonierte: Integration als Symptom einer narzisstisch-masochistischen Gesellschaft. – Ist sie das, die Qual des Ego?

    1. Avatar von Michael Ickes
      Michael Ickes

      Anlass als Abduktion der Deduktion mit anschließender Induktion