zur „Bürgerversammlung“ zum ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf

Seit 2012 begleite ich die Planungen zur Bebauung des Güterbahnhof Wilmersdorf mit zunehmend ablehnender Haltung.flyer_werstattgespräch1-4[2] flyer_werstattgespräch1-4[1]

Damals erbte ich den Beschluss der BVV Drs. 1212/XVIII und stieg als fachpolitischer Sprecher der damaligen Piratenfraktion in das Werkstattverfahren ein. Dieses Verfahren bestand aus den sogenannten Expertenrunden und einer Reihe von öffentlichen Veranstaltungen. Wobei es in den „Expertenrunden“ der fachpolitischen Sprecher, der Verwaltung und dem Eigentümer darum ging, zu eruieren, wieweit dem Eigentümer und Entwickler entgegen gekommen werden muss, damit er baut, dienten die öffentlichen Veranstaltungen dazu, der Bevölkerung dieses Entgegenkommen als Konsens zu verkaufen.

So kamen wir aus diesem Werkstatt-Verfahren heraus mit dem sogenannten Konsens-Plan, der in den letzten 10 Minuten von dem investoren-finanzierten Moderator Kohlbrenner vorgestellt wurde und der entsprechend wenig die Breite und die Tiefe der Diskussion wider spiegelt. Und doch ist selbst dieser Konsensplan mit dem darauffolgenden „Rahmenplan“ und der Aufstellung des Bebauungsplans immer weiter aufgeweicht und relativiert worden.

Denn die „Entwicklung“ des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf ist einzig getrieben von der kurzsichtigen politischen Vorgabe, „bauen, dass es kracht“ (Müller). Diesem Postulat folgen die Prognosen zur Bevölkerungs- und Wohnungsmarktentwicklung sowie die planerischen Instrumente, wie der 2014 verabschiedete Stadtentwicklungsplan Wohnen. Dabei wären wir nach dem rückgerechneten Prognosezeitraum heute bei 4,2 Millionen Einwohnern in Berlin! Eine Bebauung des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf rechnet sich nur wegen massiver Subventionen und mit der Aussicht, dass Menschen aus der gentrifizierten Innenstadtlage hier aufgefangen werden sollen.

Was die planerischen Instrumente betrifft, so weisst bis zum großflächigen Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg von 2009, keines – jemals in der 140-jährigen Geschichte dieser Fläche, und obwohl sie schon seit 1995 keinem Bahnbetrieb mehr dient! – das Gebiet als „Siedlungsgebiet“ oder „Bauland“ aus. Das aus gutem Grund, denn die Bahnflächen, ob in Betrieb oder nicht, sind von stadtlandschaftlicher Bedeutung, erfüllen die Funktion des ökologischen Ausgleichs und der sozialen Entflechtung. Diese stadtplanerischen Kriterien wurden völlig dem falschen politischen Postulat unterworfen.

In der Planung um den ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf steigerte das Bezirksamt nun die Bebauung von 400 über 500 und 800 auf zwischenzeitlich über 900 Wohnungen und nahm Abstand von der „Errichtung eines markanten… Baukörpers“ sowie davon, zur Hauptstasse hin „die Platzsituation [zu] betonen.“ Der motorisierte Verkehr, von dem versprochen wurde, hauptsächlich über die Hauptstrasse abgewickelt zu werden, führt laut ersten Verkehrsprognosen zu einer Steigerung in der fahrradroutenrelevanten Handjery-Strasse von 9% und von einem verkehrsberuhigten Gebiet kann bei prognostizierten 2940 Kfz-Fahrten pro Werktag keine Rede sein!

All diese Abstriche am Interesse der Allgemeinheit machte das Bezirkamt, um eine Bebauung für den Investor, der entgegen dem Konsensplan beliebig die Architekten wechselte, wirtschaftlich zu gestalten. Außerdem wurde die städtische Wohnbaugeellschaft „Stadt&Land“ ins Boot geholt, die priviligiert und über das Instrument der „kooperativen Baulandentwicklung“ öffentliche Gelder heranzieht, um mit künstlich konstruierten Mieten Gentrifizierungsopfer zu ködern, in diese lärmbelasteten Wohnsilos zu ziehen.

Nachdem sich die Piraten zu Beginn der Wahlperiode einer Bebauung nicht prinzipiell verschließen wollten, und lediglich auf Informationsfreiheit, Bürgerbeteiligung und Integration drängten, forderte ich bald schon eine gesamtheitliche Betrachtung des Umfelds des Innsbrucker Platzes, der seit seines 100-jährigen Bestehens über alle Umbauten hinweg, ein städteplanerisches Sorgenkind blieb. Statt die Gelegenheit zu nutzen, sich damit auseinander zu setzen, wurden meine Anträge in der BVV weggestimmt, der Vorschlag aus dem Expertengremium einer Fuß- und Radüberquerung über die Autobahn unter den Teppich gekehrt und das Einzelhandelskonzept, das die Notwendigkeit einer solchen Betrachtung bekräftigt, entsprechend manipuliert. Dabei existiert mit dem Vorstoß des zwischenzeitlich leider verstorbene Friedenauer Ehrenbürger Borkmann ein hinreichendes Konzept für die Eintunnellung der Wexstrasse entwickelte a la Schlangenbader Strasse.

Wenn denn derartige Vorstellungen wie augenarztreife Visionen klingen, so zeigen sie zumindest eine weitere Problematik auf: Hier soll innerhalb weniger Jahre aus einem traditionellen, stadtlandschaftlich bedeutsamen Außenbereich (sic! Nach §35 eigentlich nur landwirtschaftlich Fläche – oder ein Atomkraftwerk – vorgesehen!) ein neues Wohngebiet geschaffen werden. Normaler Weise haben derartige Planungen der Umwidmung einen Vorlauf von 20 – 30 Jahren, in deren Verlauf soziale Entwicklungen beobachtet, Bedarfe aller Beteiligten und die Umsetzung der Möglichkeiten intensiv studiert werden können. Der Umkehrung des Nachhaltigkeitsprinzip könnte bei dieser Planung nur noch die Krone aufgesetzt werden, wenn sich bewahrheitet, dass dies ein Angebots-Bebauungsplan sein soll, bei dem der Bezirk auch noch jegliches Risiko der Umsetzung trägt.