Wohnungsneubau

Betreff: Wohnungsneubau
Von: Pirate M'ick's <pirate@mimaimix.de>
Datum: 22.05.2015 10:58
An: "Landesverband Berlin (viele Mails)" <berlin@lists.piratenpartei.de>

Hallo,

mal wieder ein bisschen food for thought:

Ich beobachte nämlich, dass viele Menschen, die auf mich zu kommen, sich gegen Neubau wehren. Das hat zugegebener, aber vor allem begrüßenswerter Weise immer persönliche, individuelle Gründe (“not in my backyard”). Begrüßenswert, weil diese jeweils individuellen, ganz persönliche Gründe im Einzelnen natürlich als Partikularinteressen abgewiesen werden, in der Gesamtheit aber eine verdeckte Masse darstellen, und somit ein Modell der Mehrheitsfindung darstellt, welches alternativ zu vordefinierten Mehrheiten (“aber wir brauchen doch Wohnungen”), von den ganz individuellen Bedarfen auf eine Mehrheit schliesst.

Selbstverständlich beobachte ich auch, dass Menschen Wohnraum suchen, doch
(a) war das schon immer so – selbstverständlich suchen Menschen Wohnraum, und das ist gut: Sie sollen suchen, um das Richtige für sie zu finden.
(b) findet schließlich jeder, den ich kennen gelernt habe, schließlich etwas, das ihm oder ihr passt – im Bestand im Übrigen prinzipiell günstiger als im Neubau.
(c) Individuen mit demselben Bedarf an Wohnraum schliessen sich begrüßenswerter Weise in Bau- und Wohngruppen zusammen. Auch hierfür steht einiges im Bestand zur Verfügung; wohingegen gezielter Neubau dafür in der Praxis exklusiv und ausufernd wirkt (ich denke dabei an den Möckernkiez). – Vereinfacht gesagt: das Mietshaussyndikat kauft Bestandswohnungen auf, wohingegen (auch städtische!) Gesellschaften auf Neubau setzten.

Für den Wohnungsneubau vertrete ich deshalb eine prinzipielle und konsequente Ablehnungshaltung, die folgender Maßen konsolidiert werden kann:
(a) Prinzipiell kein Angebotswohnungsbau, weil er per definitionem top-down betrieben wird, wo die Großkapital- und Spekulanteninteressen dominieren und somit zwingend zur Preissteigerung führen;
(b) Vorhabenbezogener Wohnungsbau nur, wo zeitgenössische Bedarfe (z.B. altersgerechtes Wohnen, Barierefreiheit… bei ökologischem Wohnen wäre ich noch vorsichtiger, weil ich das oftmals als unausgereift und falsch erlebe, siehe Dämmung) nicht vom Bestand gedeckt werden können – und nur für Baugruppen;
(c) Für die Bauwirtschaft, insbesondere die Gewerkschaft, wo sie denn gesellschaftspolitisch konstitutionell ist: “Tief- statt Hochbau!” auf dass die bestehende Infrastruktur konsolidiert und konsequent entsiegelt wird.

Mein Plädoyer für eine Rehabilitation des Prinzips “not in my backyard” vis-a-vis eines sogenannten (weil top-down oder deduktiv konstruiertem) Gemeinwohls soll eine Resillienz gegenüber größenwahnsinnigen Projekten schaffen, die an den Bedarfen vorbei gehen. Wenn angewand auf die Energieversorgung durch Windkraft, wie es in der bundesweiten (aber nicht in Berlin!) bedeutsamer ist, dann schlussfolgere ich aus dieser Argumentation, dass eine nachhaltige Entwicklung nur möglich ist, wenn sie von den tatsächlichen, weil individuellen Bedürfnissen der Menschen
vor Ort getrieben ist.

LG, Mi