die Verteidigung der Roten Insel

… über Ruth…

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      Michael Ickes
      Administrator

      Lieber Hagen Berndt,

      Ruth Mischnik war so freundlich, mir Deinen Text zur Trennung in
      Flüchtlingsunterkünften
      zu schicken.
      Zwischenzeitlich habe ich auch das Interview mit Dir auf Telepolis
      gelesen. Wir kennen uns
      aus der Akademie für Konflikttransformation aus 2008.

      Ich finde es toll, wie detailreich, stark und überzeugend Du Dich gegen
      eine Trennung anhand vermeintlicher Gruppenzugehörigkeiten aussprichst.
      Und erfolgreich, oder? Mir ist jedenfalls seit September kein derartiger
      Vorstoß mehr untergekommen.

      Man mag zynisch sagen, bei der derzeitigen Überforderung ist eine
      Trennung gar nicht möglich, doch Deine Argumente sollten nicht so
      verhallen. Denn was Du ja eigentlich propagierst ist
      Konfliktsensibilität in der Flüchtlingsunterbringung. Da ist es eben
      nicht damit getan, die Menschen über einen Kamm zu scheren und
      Friede-Freude-Eierkuchen zu spielen. Die Bezeichnungsdiskussion –
      Asylsuchende, Flüchtlinge, Geflohene… – schon geht so etwas an den
      Herausforderungen der Integration vorbei und schafft neue Trennlinien:
      Mit der Wortwahl verneinen wir doch wieder Integration, wie wir es
      gerade erst mit der Begrifflichkeit des Gastarbeiters einsehen mussten.

      Nach der Verschärfung des Asylrechts in den 90ern waren wir nahe dran,
      wieder eine breitere Aufnahmepraxis zu etablieren. Dafür lassen wir nun
      wieder die Lampedusa-Flüchtlinge oder auch die osteuropäischen Roma
      außen vor.

      Auch die dezentrale Flüchtlingsunterbringung birgt ihre
      Herausforderungen bezüglich einer Trennung. Seit langem bin ich Promoter
      für eine kommunale Aufnahme, d.h. Kommunen entscheiden, wen und wieviele
      sie aufnehmen. Weil sie es sind, die idealer Weise die
      Integrationsleistung erbringen. Selbstverständlich werden sie dafür
      aufgestellt und entschädigt. Das Prinzip lässt sich ebenso auf Gruppen,
      Verbände, Kirchen anwenden und bricht auf individuelle Basis hinunter,
      wonach Menschen dafür entschädigt werden, dass sie ihren Wohn- und
      Lebensraum mit Geflüchteten teilen. Selbstverständlich läuft das auf
      Begünstigung von verschiedenen Personengruppen hinaus, doch werden damit
      die besten Voraussetzungen für eine Integration gemäß der lokalen
      Kapazitäten gegeben, ohne dass eine Steuerung über die Insentiven
      verlohren ginge. In Berlin ist der Bedarf an persönlichem Wohnraum in
      den letzten 30 Jahren von 32qm auf 47qm gestiegen!

      Wenn also Konfliktsensibilität in die Flüchtlingsunterbringung
      gemainstreamt werden soll, glaube ich, sollte allerdings drei Aspekte
      Beachtung finden, die ich kurz mal gemäß Galtung aufzudröseln versuche:
      Erstens ist das akute Konflikt- und Gewaltpotential, das von
      Überfüllung, Monotonie und Entmächtigung herrührt. Zweitens das
      kulturelle Gewaltpotential, welches wahrscheinlich (theoretisch) mit
      einer ethnischen Trennung minimiert werden soll, welches wahrscheinlich
      aber auch eher in den jahrelangen militarisierten bzw.
      lager-Lebensumständen zu suchen ist. Und drittens, die strukturelle
      Gewalt, die die Ursache der Flucht und der Fluchtursache – des Krieges,
      der Not oder der Diskriminierung – sind. Diese Ursachen den Flüchtlingen
      bewusst werden zu lassen, ist die Lösung des kulturellen Gewaltpotentials.

      Bemerkenswert ist, dass das Sonderprogramm vom BMZ / GIZ zur
      Aufnahmebereitschaft von IDPs in der Ostukraine Konfliktsensibilität mit
      PSC in Personalunion betreiben will. In dem GIZ Programm in Gaziantep
      ist das Angehen der strukturellen Gewalt nicht vorgesehen. Dabei bietet
      sich hier die ganz wunderbare Gelegenheit einer transformatorischen
      Flüchtlings- und Entwicklungszusammenarbeit. Denn die Herausforderungen
      sind hier und dort: glokal. Wie ich sie angehe, versuche ich wieder
      einmal hier:http://mimaimix.de/icke/2829-2/
      darzustellen.

      Herzliche Grüße,

      Michael Ickes

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