Verantwortung fürs Wollen und Wünschen

Noch n Wort zum Sonntag,
an dem mir die farbenfrohen Gospelkirchgänger mit großen Augen erzählen…
– ja was denn, dass ich selbst ein Kehrwochenflüchtling bin?
Da steigen dem christdemokratischen Ordnungspolitiker die Tränen in die Augen, “so sauber wünschen wir es uns hier auch.”
Eigenverantwortung ist das Stichwort, nur denn: Ich mag’s halt gar nicht so pietistisch (oder auch preußisch-protestantisch) geschleckt. Und letztlich, in der transgendert Version des “Fischers und seiner Frau”, kriegt jede viel mehr das, was sie will, als jenes, was er sich wünscht.

walprogramm Meine These ist also, dass die Menschen in Berlin lieber einen Putzdienst bezahlen als selber sauber zu machen; nicht damit das Treppenhaus überhaupt gereinigt wird, sondern um sich vor ihren eigenen Wunschvorstellungen zu schützen. Und weiter: Eigenverantwortung ist nicht irgendetwas fundamental Naturzuständisches sondern ein postmoderner Auswuchs von Egomanen. Denn vor der Horde gab es weder Verantwortung noch Mich.

Der Narzisst macht sich’s halt am liebsten selbst.
Dass die schwäbische Kehrwoche teilweise neurotische Ausmaße annimmt, ist unbestritten. Ebenso wie wenn der U-Bahn-Schläger vor Gericht aussagt: “ich hasse halt Schwaben.” – “… diese Pfennigfuchser, die ihr Hausgeld lieber in Loftausbauten im Prenzelberg investieren als ehrliche Putzarbeit zu schaffen,” möchte man anmerken. Wir finden einen politischen Interessenkonflikt vor, zwischen konservativen Ordnungshütern und progressiven Laissez-faire Politikern, zwischen Individualismus und sozialer Kontrolle, zwischen der Kapitalisierung von Boden und Arbeit… – und erkennen die Liquidierung des tradierten Parteienspektrums.

Vor allem aber stellt sich die Frage nach der Unterscheidung zwischen dem, was wir wollen und jenem, was wir uns wünschen. Die Antwort, frei nach Sarah Harrison‘s Analyse des deutschen Intellektuellen, ist zu suchen in dem “Wir”.

Dabei ist das Wollen das natürliche Interesse, das durch konsumtive Wünsche überdeckt ist. Wenn wir gerade beim deutschen Wesen sind, sollen zu letzterem der Drang nach Gemeinschaft und “Gemütlichkeit” (Antilupinius), oder aber auch Prestige, Rente ab 36 oder Linux in der Verwaltung Erwähnung finden. Das “natürliche Interesse” aber ist welches die monolitischen Parteien mit Proletariern oder Präkariern, Bauern und Eigentümer zu verteidigen suchen, welches jedoch längst vom Wandel der Zeit eingefangen wurde.

[gview file=”http://mimaimix.de/icke/wp-content/uploads/2015/07/19.pdf”]
Schwachsinnsantrag der CDU, der von der SPD und Teilen der Grünen unterstützt wurde.

So gab sich David Braun als grüner Vordenker von Open Source und Open Knowledge, verteidigte aber in der Juni BVV die Ausweitung von Videoüberwachung auf den Bahnsteigen. Dabei wurde in der Diskussion klar heraus gearbeitet, dass es statt dessen mehr Personal und Menschen, Öffentlichkeit, braucht; dass sich Sicherheit nicht automatisieren lässt! Es zeigt sich daran einerseits die Unfähigkeit selbst der relativ jungen Partei der Grünen, ihre anthroposophische Prinzipien auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters anzuwenden, andererseits eben auch die Versuchung für dilettantische Politik-Kücken, sich cleverer als die Henne zu wünschen. Was bei einer derartigen Instrumentalisierung der flüssigen Demokratie für die Politik heraus kommt, ist mit Einheitsmatsch am bildlichsten beschrieben. Das “Wir” schließlich ist für jeden Wunsch verschieden und ebenso wie die Sozialdemokratie: offensichtlich irrelevant. Ein gemeinsames, “natürliches Interesse” besteht weder im Bruttozialprodukt noch im Besitz von geistigem oder materiellem Vermögen, sondern höchstens in Befähigung und besseren Entscheidungen.

Der metaphorische Verbalmasurchismuspreis ging in der Juli BVV an die Beziksbürgermeisterin für ihre vorhaushaltische “Rede zur Lage des Bezirks”

Wir können die kollegial verkackte Scheisse sowohl auf’s Individuum als auch auf die Gesellschaft abwälzen – und Griechenland statt dessen Schulden abschreiben. In der Mietenpolitik hab ich mich schon positioniert: Das Geld, das die Volksentscheidsinitiatoren der Wohnbau- und Immobilienwirtschaft in den Rachen schmeißen wollen, möge dafür verwendet werden, die Menschen zu befähigen, ihre Wohnung, ihre Privatsphäre, ihr Eigen zu machen. Denn: Wer keine Verantwortung übernehmen will, soll halt keine bekommen. Sein Eigen hat ein jeder trotzdem.

Einen guten Wochenstart wünscht

Euer dadaistisch-kopimistisch-shivaistischer

Michael Ickes