Budget Nite 2015

Haushaltsrede

25.09.2015

BV Michael Ickes

sehr geehrte Frau Vorsteherin,

sehr geehrte Damen und Herren,

auch ich danke zunächst einmal, dem Protokoll genügend, der Verwaltung für die Aufarbeitung des Haushalts. Tatsächlich hat sie dieses Jahr mit dem Testbudget eine sinnvolle, dem allgemeinen Verständnis dienende Neuerung eingeführt.

Auch unter den vielen Berichtsaufträgen, die insbesondere die Grüne Fraktion eingefordert hat, sind durchaus aufschlussreiche Informationen enthalten. So legt die Tabelle zur Projektförderung nach §11, Produkt 78401 „Kinder- und Jugendförderung freie Träger“ ganz wunderbar dar, wie günstig – oder auch „effizient“ der Drugstore und die Potse – auch im Vergleich zu anderen Angeboten ihre Arbeit in der Jugendhilfe vollbringen.

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Ein anderes Beispiel für die enthaltenen Informationen in den Berichtaufträgen ist die Aufschlüsselung der geplanten Einzelmaßnahmen in Kapitel 4200, Titel 899339. Nach meiner Großen Anfrage dazu bereits im November 2012 und persistenten Nachfragen von mir im Rechnungsprüfungsausschuss, haben wir hier endlich handfeste Informationen bekommen.

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Der Transparenz weiter dienlich soll mein Ergänzungsantrag zu den Roten Nummern sein. Gerade mit dem Scheitern des sogenannten Bürgerhaushalts muss nun der von der Bürgermeisterin (und mir) schon immer präferierten Weg der öffentlichen Darlegung und Verständlichmachung der bezirklichen Haushaltswirtschaft um so mehr weiter entwickelt und betrieben werden.

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Wenn ich im Verfahren und im großen Ganzen durchaus Einsicht und Verbesserungen konstatieren kann, so ist es um so trauriger erleben zu müssen, wie die Zählgemeinschaft in letzter Minute alle diese positiven Signale zu nichte macht, und mit der Erhöhung der PMA einen unverantwortlichen, populistischen und untragbaren Antrag einbringt.

SPD: Damit brechen SIE die Einigkeit, die IHRE Bürgermeisterin beschworen hat!

Ja, es wäre mir als Oppositionspolitiker schwer gefallen, den Haushaltsentwurf wie von der Verwaltung vorgelegt, abzulehnen.

Ausgesprochen positiv ist nämlich das Ergebnis der zusätzlichen Personalstellen unter anderem aus dem Sonderprogramm Wachsenden Stadt. Dass nun sowohl der Naturranger als auch die Stolperstein-Koordinierungsstelle finanziert ist und darüber hinaus jeweils eine bzw. eine halbe Stelle zur Promotion der Nachhaltigkeit im Bezirk und schon mal speziell zur Begleitung minderjähriger Flüchtlinge geschaffen werden, ist ein großer Sieg für die Vernunft, mit deren Promotion ich im Hauptausschuss viel zu lange auf taube Ohren gestoßen war.

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Zunächst zur Nachhaltigkeit: Man möchte meinen, dass sich so langsam wenigstens mal das Verständnis der drei Aspekte von Nachhaltigkeit in der Politik und der Verwaltung des Bezirks durchgesetzt haben, nämlich Ökologie, Soziales und Ökonomie.

Wie einfach wäre es da zu sagen, die drei Fraktionen in der BVV setzten sich für ihren jeweiligen Aspekt ein: Die CDU für die Wirtschaft, die SPD für den sozialen Aspekt und die Grünen für den ökologischen. Aber nein, den einzigen Fortschritt, den der Bezirk bislang auf diesem Weg gemacht hat, ist einen unergründlichen Kriterienkatalog von 16 willkürlichen Indikatoren zur Beurteilung der Nachhaltigkeit von Bezirksamtsbeschlüssen aufzustellen. Liebes Bezirksamt. Das hat aber auch gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun!

In der Politik hinkt der Bezirk weit hinterher in der Schaffung und dem Erhalt von Grünflächen.

  • Das zeichnet sich ab am ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf, wo entgegen den Schönreden der spekulantenhörigen Verwaltung, mit dem Bauvorhaben das Grünflächendefizit nicht abgebaut sondern die Klimabilanz verschlechtert wird!
  • Diese fehlgeleitete Politik setzt sich fort auf der Bautzener Brache, die bewiesener Maßen einen wichtigen Klimakorridor und Biotopverbindung darstellt und die als Ausgleichsfläche für die Bebauung des Gleisdreieckparks – aktuell dem Hellweg Biomarkt – herhalten muss. So hatten sich auch mal die Grünen dafür stark gemacht, doch seit sie von Macht besessen sind, kriechen sie auch lieber den Spekulanten in den Allerwertesten.
  • Letztlich ist der Crelle-Urwald zu erwähnen, wo unter dem Vorwand eine „Grünfläche“ herzustellen, Vegetation vernichtet wird und damit eine Verminderung in der Öko-Bilanz in Kauf genommen wird. Das Problem der dysfunktionalen Verwaltung ist das Festhalten an der durchgehenden überdimensionierten Breite des sogenannten Multi-Funktionswegs von 4m! Würde hier in Ausnahmefällen auf 3,5 Meter zurück gefallen werden, so müsste weder der Crelle-Urwald gefällt werden, noch die zweite Brücke (Brücke 1 bzw. 2) über die Yorckstrasse saniert werden.

Im Sinne der Nachhaltigkeit ist diese Lösung also sowohl unter ökologischen Gesichtspunkten im Interesse der Grünen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Interesse der CDU.

Der Wanneebahngraben ist mit €780.000 in Kapitel 4200 „städtebauliche Einzelmaßnahmen“ des Doppelhaushalt budgetiert. Der Titel sieht vor: „Aufstellung und Durchführung des Sozialplans im Rahmen von städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen und Bebauungspläne, falls sich durch diese Nachteile für die betroffenen Menschen ergeben (§180 BauGB).“ Damit steht die Verausgabung dieser Gelder in direkter Konkurrenz mit Sozialplänen und anderen Instrumenten gegen die Verdrängung und Gentrifizierung, deren Bekämpfung im vornehmlichen Interesse der Sozialdemokratie sein muß. Entsprechend kann auch die SPD diese Veranschlagung und Verausgabung nicht gut heißen.

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Eine ähnliche Veranschlagung von €810.000 ist übrigens im selben Kapitel für die Sanierung der Brücke 15 vorgesehen. Das ist die letzte Brücke von Schöneberg kommend, die den abgetrennten Jogging-Weg im Flaschenhalspark mit dem entsprechenden Teil im Gleisdreieckpark verbindet. Liebe Frau Dr. Klotz, der Sie ja direkte Kreuzberger Anwohnerin dort sind: Das ist auch meine Jogging-Route ins Abgeordnetenhaus; trotzdem würde es mir nie in den Sinn kommen, für dieses Privileg €810.000 zu veranschlagen. Außerdem müssten dieses Gelder wahrscheinlich aus Investitionsmittel kommen.

Wobei wir bei den Investitionsmitteln wären: €1,45 Millionen für den Lassen-Park, diese Schöneberger Dauermigräne und €1,9 Millionen damit die Frösche die Böschung des Blümelteichs in Mariendorf hinauf kommen!

Sehr geehrte Damen und Herren,

das kann doch nur ein Witz sein!

Und sie ist es auch: Von dieser Anmeldung (!) zur Invetitionsplanung ist noch keinerlei Verausgabung beschlossen. Deshalb kann ein Christoph Götz davon traümen, die Investitionsmittel für die Sanierung der sogenannten Bezirkszentralbibliothek in einen Neubau zu verschieben und ich davon, diese Mittel für einen Ausbau jener im Rathaus Friedenau zu verwenden. Deshalb pokert Frau Dr. Klotz darauf, auf Investitionsmitteln für ihren Brücke-15-Bau zurückgreifen zu müssen und die Bürgermeisterin, die frei werdenden Mittel aus den städtebaulichen Einzelmaßnahmen dann zum Abbau der PMA einsparen zu können. Und Marlis Funk hält tapfer an der sinnvollen und konsequenten Forderung fest, wie ehemals von den Grünen und der Verwaltung propagiert – die Bautzener Brache für dieses Geld zurück zu kaufen, solange noch kein Baurecht geschaffen ist.

***

Mit solider Bezirkshaushaltsplanung hat das alles natürlich wenig zu tun.

Doch die eigentlichen Fragen sind, ob eine solche überhaupt nötig, möglich und gewollt ist. So ist Tatsache, dass der Haushaltsplan eine immer geringere Bedeutung hat, weil sich über ihn immer weniger politisch steuern lässt. Viel wichtiger werden Sonder- und Förderprogramme, wie wir zuletzt in Lichtenrades Aktive Zentren Programm gesehen haben, welches für den Erhalt der „W40“ Sorge tragen wird, und gerade mit den Geflohenen Menschen erleben.

Was sich hierbei zeigt ist, dass die akute Migrationswelle überalterte Strukturen und Mechanismen in Frage stellt und aufbricht. Das birgt Gefahren, so wie der Tenor des Wohnungsbaubeschleunigungsgesetzes, das – ja: zivilisatorische und kulturelle – Errungenschaften auszuhöhlen sucht. Ich bin ausnahmsweise Frau Dr.Klotz an dieser Stelle dankbar, dass sie einen durchaus pragmatischen Weg mit Brandschutz und Gesundheitsversorgung fährt. Auch Schule und Kultur, denke ich, schütten das Kind nicht mit dem Bade aus, sondern reagieren flexibel und optimistisch auf die anstehenden Herausforderungen. Ohne meine Einlassungen zu diesem Thema im Detail der letzten regulären BVV Sitzung zu wiederholen, besteht deren Lösung eben nicht in der Vollendung des Mantras von Wohnungsneubau, sondern in einem konsequenten, solidarischen und integrativen, incentiven-beflügeltem, Zusammenrücken auf dem persönlichen Wohnraum, der sich über die letzten 30 Jahre von 32 qm auf 48qm pro Person erhöht hat.

Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten können insbesondere im Bereich Jugendhilfe noch besser genutzt werden. Seit Jahren überbieten sich hier die freien Träger mit immer neuen und teureren Angeboten für den designten, konsumierenden Menschen und Jugendlichen. Kreativität und Selbstverantwortung werden so nicht ausgebildet! Die Budget-Allokation der Finanzverwaltung hat diesen Trend erkannt und steuert dagegen, kürzt bzw. lässt die Mittel nicht wachsen. Gleichzeitig zeigt sich nun jedoch mit dem Drugstore, dass eine andere Form der Jugendarbeit, ja der integrierten Stadt- Sozial- Flüchtlings- und Kulturarbeit möglich ist und sich sogar wirtschaftlich rechnet!

In meiner projezierten Vorstellung wird beispielsweise aus den zusätzlich erwirtschafteten Mitteln der Parkraumbewirtschaftung die Besetzung der zu schaffende Stelle zur Begleitung minderjähriger Flüchtlinge vorgezogen und diese sowohl der „Burg“ als auch dem Drugstore-Kollektiv beigeordnet, so dass diese gemeinsam die Begleitung minderjähriger Flüchtlinge betreiben können. Sowohl die Umbaumaßnahmen der Burg als auch die zweijährige Zwischenfinanzierung der Miete des Drugstores, ebenso wie der Verwaltungssitz im Rathaus Friedenau, finanzieren sich aus BAMF bzw. EU Sondermittel für die Unterbringung bzw. Integrationsarbeit von Flüchtlingen.

Dass sich ausgerechnet Marijke Höppner, die für die SPD die richtige Kehrtwende im bezirklichen Bibliothekswesen und im Rathaus Friedenau eingeleitet hat, sich aber dem Druck der Träger beugt, und mit der PMA-finanzierten Finanzspritze gerade diese gegenüber dem ehrenamtlich betriebenen Drugstore besser stellt, auf Kosten aller anderen Bereiche, das ist wirklich der traurige Tiefpunkt dieses Bezirkshaushalts.

Wenn aber dieser Bezirkshaushalt in Anbetracht der akuten Migrationswelle sowie einher gehender Sonder- und Förderprogramme wenig mehr ist als ein leiser Abgesang auf seinen einzigen Meister Sarazzin, von dessen noeoliberalen Erbe wir uns verabschieden, dann sollte gerade die Gunst der Stunde genutzt werden, den Menschen die Umstände vermittelt und deren Mitarbeit aktiviert werden. Denn letztlich sind es sie, die mit den Entscheidungen dieser Politik leben müssen.

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In diesem Sinne und im Hinblick auf meinen Ergänzungsantrag zur Invetitionsplanung auch diese Haushaltsrede mit Adam Douglas 42 schließen, der Einwohnerversammlung nach §42BezVg und der Antwort auf der Zählgemeinschaft ihre Frage noch Stadtteil-Bürgerforen, Bürgerhaushalt und der dezentralen Flüchtlingsunterbringung.