am Freitag, den 08.November waren wir freundlicher Weise bei den Linken zu ihrer bezirklichen kommunalpolitischen Arbeitsgruppe eingeladen, im Rahmen derer Michael Nelken, letztwalperiodischer Stadtrat in Pankow, jetztwalperiodischer Verordneter dort und Teilzeit-Referent im Abgeordnetenhaus über den sogenannten Milieuschutz referierte. @Aloha und ich waren dabei.
Der Milieuschutz ist nach §172 (1) BauGB das Instrument der Sozialen Erhaltungssatzung /-verordnung, eine der drei Erhaltungssatzungen (in Berlin: -verordnungen), welche darüber hinaus sind: die städtebauliche Erhaltungssatzung /-verordnung und die Umstrukturierungssatzung /-verordnung. Alle diese Erhaltungssatzungen /-verordnungen sind Instrumente der stadtplanerischen Steuerung, nicht des Mieterschutzes!
Trotzdem soll der Milieuschutz in Schöneberg zur Anwendung kommen, um einer weiteren Verdrängung entgegen zu wirken. Aktuell laufen Umfragen in zwei Gebieten, nämlich dem Bayrischen Viertel (http://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/bvv-online/vo020.asp?VOLFDNR=4594&options=4) und dem Gebiet von der Großgörschenstrasse bis zum Kaiser-Wilhelm-Platz (http://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/bvv-online/vo020.asp?VOLFDNR=4596&options=4), die zu etablieren suchen, dass die drei Voraussetzungen für den Erlass von Sozialen Erhaltungsverordnungen bestehen, die da sind: Aufwertungspotential, Aufwertungsdruck, Verdrändgungspotential.
Sollten sich diese Voraussetzungen durch die Umfrage bestätigen, werden wohl diese Verordnungen erlassen werden, die dann nach sich ziehen, dass bei Umbauten (nicht Neubauten!) von Amts wegen separat geprüft wird, ob angezeigte Maßnahmen der Verordnung entsprechen oder nicht. Dabei kommt es vornehmlich darauf an, welche Maßnahmen in der Verordnung als dem Milieuschutz entgegen laufend definiert werden. Maßnahmen, die der prinzipiellen Ertüchtigung dienen, wie z.B. die Außentoilette in die Wohnung zu verlegen, können nicht verwehrt werden.
Deshalb, so Nelken, zeigte die Soziale Erhaltungsverordnung, wie sie in Pankow seit 1997 in Kraft ist, bisher wenig Wirkung. Ihr eigentliches Potential käme erst zum Tragen, wenn es, wie jetzt in Schöneberg, um Verdrängung durch luxuriösere Modernisierungsmaßnahmen geht. Da könnten dann Maßnahmen, wie Wohnungszusammenlegung, Grundrissänderungen, ggf. Abriss, Fahrstuhleinbau, Balkonanbau bis hin zu “wandhängenden WCs” der Riegel vorgeschoben werden. Zu bedenken sei allerdings, so Nelken auch, dass derart detailierte Einschränkungen der Eigentumsrechte letztlich vor Gericht kaum Bestand haben, dass sie eher individualistischen Modernisierer einschüchtern, als kapitalkräftige Gentrifizierer abzuhalten.
Damit steige ich mal in eine Kritik an dem aktuellen Vorhaben ein: Die Wirksamkeit der Sozialen Erhaltungsverordnung ist völlig unzureichend dargestellt; sie ist ein zahnloser Tiger, der einen Rattenschwanz an Bürokratie – laut Haushaltsplan sollen zwei neue Stellen dafür im bezirklichen Stattentwicklungsamt geschaffen werden – nach sich zieht, die effektiv eine begrüßungswerte individualistische, kleinteilige und damit behutsame Modernisierung behindert.
Ein wirklich piratisches Anliegen fand noch keinerlei Erwähnung: Was, wenn durch die soziale Erhaltungssatzung argumentiert wird, dass der Ausbau eines zeitgemäßen Internets, eine Aufwertung darstellt, die verboten gehört? Selbst wenn die Kriterien der Erhaltungsverordnung partizipativ erarbeitet werden, wird die jeweilige Prüfung des Genehmigungsverfahren der Kontrolle durch BVV und Bevölkerung weitgehend entzogen sein.
Schließlich geht die Soziale Erhaltungsverordnung völlig an den Bedarfen und Forderungen aus der Bevölkerung vorbei. Denn es sind nicht die kleinteiligen Modernisierungsmaßnahmen, die einen Anstieg der Mieten und die Gentrifizierung beflügeln, sondern die spekulativen Neubauten, wie sie die vehementen Proteste am Lokdepot, der Bautzener Brache und der Crellestrasse ausgelöst haben. Die Unfähigkeit des Stattenwicklungsamtes unter der betongrünen Leitung, diese Expertise und Erfahrung aus der Bevölkerung zu würdigen, wird konterkariert durch die aktuellen Umfragen, die von ihrem Inhalt her und in ihrer Methodik kein schlüssiges Bild der tatsächlichen Situation für die Anwohner ergeben können. Dass sie die einzige Beurteilungsgrundlage darstellen sollen dafür, ob eine Soziale Erhaltungsverordnung erlassen wird oder nicht, grenzt wohl an Amtsanmaßung.
Michael Ickes
statt Plan-&Entwicklung
situationalistischer Sprecher der Piraten in der BVV TS
4. Dezember 2024
Ne Aufgabe ist
jetzt hab ich den faden verloren…
Wohnpolitik ist Vermögenspolitik in der Aufstellung zur Utopia-WM